Menü

Warum du für deinen Solarstrom weniger bekommst, als du zahlst – und warum das (leider) Sinn macht

Zurück zu allen Blogbeiträgen

Die Strompreise beschäftigen die Schweiz wie kaum ein anderes Energiethema – besonders seit sie stark gestiegen sind. Wer eine Solaranlage auf dem Dach hat oder plant, wundert sich schnell:

Warum zahle ich deutlich mehr für Strom aus dem Netz, als ich bei der Rückspeisung für meinen eigenen Solarstrom erhalte?

Eine berechtigte Frage – die aber einfacher zu verstehen ist, wenn man weiss, wie der Schweizer Strommarkt funktioniert. Denn auch wenn es auf den ersten Blick ungerecht wirkt, steckt dahinter ein komplexes, aber logisches System.

1. Strom ist nicht gleich Strom – Ein Exkurs zur strukturierten Beschaffung

Für uns als Konsument und Konsumentinnen kommt der Strom einfach aus der Steckdose – egal, wann oder wo er produziert wurde. Für die Elektrizitätswerke (EVU) hingegen ist die Beschaffung hochkomplex.
Wenn Strom kann nicht gespeichert werden (zumindest nicht in grösserem Stil) – er muss immer dann produziert werden, wenn er gerade gebraucht wird. Produktion und Verbrauch müssen also jederzeit im Gleichgewicht sein.
Deshalb setzen Schweizer Energieversorger auf das Prinzip der strukturierten Beschaffung – ein Zusammenspiel aus langfristiger Planung, kurzfristigem Nachjustieren und Echtzeit-Ausgleich.

Stufe 1: Terminmarkt – Planung mit Weitblick

Bereits Monate oder Jahre im Voraus schätzen die EVU, wie viel Strom ihre Kunden und Kundinnen benötigen werden. Ein Grossteil wird dann frühzeitig über den sogenannten Terminmarkt eingekauft – zum Beispiel über Verträge mit Kraftwerken oder Börsenprodukte wie «Year-ahead oder Month.-ahead». Das bringt Preisstabilität und Planungssicherheit.

Stufe 2: Spotmarkt – Feinschliff kurz vor Lieferung

Je näher der Liefertag rückt, desto genauer lassen sich Bedarf und Verbrauch einschätzen – etwa aufgrund von Wetterprognosen, Lastprofilen und Erfahrungswerten. Abweichungen werden dann kurzfristig am Spotmarkt ausgeglichen. Hier gelten tagesaktuelle oder gar stundenaktuelle Preise, die stark schwanken können.

Stufe 3: Ausgleichsenergie – wenn’s ganz genau sein muss

Trotz guter Planung gibt’s fast immer kleine Unterschiede zwischen Prognose und Realität. Diese Differenzen müssen in Echtzeit ausgeglichen werden – das nennt man Ausgleichsenergie.
Diese ist besonders teuer, weil sie sehr kurzfristig, flexibel und oft mithilfe von teuren Reservekraftwerken beschafft werden muss. Sie sorgt dafür, dass die Netzfrequenz stabil bleibt – was für unsere Versorgungssicherheit zentral ist.
Versorger zahlen für jede Abweichung – zu viel oder zu wenig Strom – empfindliche Preise, die weit über dem Börsenpreis liegen können.

2. Darum gibt’s regionale Unterschiede beim Strompreis

In der Schweiz gibt es über 600 verschiedene Stromversorger – vom lokalen EW bis hin zu grossen Playern wie BKW oder ewz. Diese Vielfalt ist historisch gewachsen und sorgt für Unterschiede in der Preisgestaltung.

Je nach Region zahlt man für die gleiche Menge Strom unterschiedlich viel. Gründe dafür sind unter anderem:

  • Unterschiedliche Einkaufsstrategien: Wer viel eigene Wasserkraft nutzt, ist weniger abhängig vom Markt.

  • Netzgebühren: Diese variieren stark – je nach Ausbau, Gelände und Infrastruktur.

  • Betriebs- und Verwaltungskosten: Kleine Werke arbeiten oft anders als grosse Konzerne.

  • Risikostrategien: Manche setzen stärker auf kurzfristige Marktpreise, andere auf langfristige Verträge.

Die Folge: Zwei Haushalte mit gleichem Verbrauch können je nach Wohnort bis zu mehrere Rappen pro Kilowattstunde unterschiedlich zahlen.

3. Warum ist die Rückspeisevergütung für PV-Strom so tief?

Wenn du mit deiner Solaranlage Strom ins Netz einspeist, bekommst du dafür Geld – die sogenannte Rückspeisevergütung. Doch diese liegt meist deutlich unter dem Preis, den du selbst für Netzstrom zahlst.
Warum? Die Vergütung richtet sich nicht nach deinem Strompreis, sondern nach dem Marktwert deines eingespeisten Stroms – also dem Durchschnittspreis, den Solarstrom am Spotmarkt erzielt. Und dieser ist meist tiefer. Gründe:

  • Zeitliche Entkopplung: PV-Strom wird vor allem mittags produziert – dann ist der Bedarf eher tief.

  • Überangebot bei Sonnenschein: Viele Anlagen speisen gleichzeitig ein – das drückt die Preise.

  • Wetterabhängigkeit: Solarstrom ist schwierig zu planen – das macht ihn aus Sicht der EVU weniger wertvoll.

  • Zusätzlicher Aufwand: Für Prognosen, Bilanzierung, Abrechnung und vor allem Ausgleichsenergie entstehen Zusatzkosten.

Aus Sicht der Energieversorger ist PV-Strom also eine schwer planbare, volatile Energiequelle mit Kostenrisiken. Deshalb ist die Vergütung eher zurückhaltend kalkuliert.

4. Warum PV-Strom für die Netzbetreiber zur Herausforderung wird

Photovoltaik ist ein zentraler Pfeiler der Energiewende – keine Frage. Aber aus Sicht der Netzbetreiber bringt sie auch technische und wirtschaftliche Herausforderungen:

  • Wetterabhängigkeit: Eine Wolke kann lokal die Einspeisung stark verändern.

  • Produktion ≠ Bedarf: Der grösste Strombedarf ist abends – produziert wird aber mittags.

  • Bilanzkreisabweichungen: Je mehr PV-Anlagen, desto schwieriger wird die ursprüngliche Beschaffungsplanung.

  • Kosten für Ausgleichsenergie: Je ungenauer die Prognose, desto teurer der Ausgleich.

Langfristig braucht es intelligente Stromnetze, mehr Speicher, flexible Tarife und clevere Verbrauchssteuerung. Bis dahin bleiben Rückspeisevergütungen konservativ angesetzt.

5. Fazit: Wer selbst verbraucht, gewinnt

Die Struktur des Schweizer Strommarkts erklärt, warum du für eingespeisten Strom weniger bekommst, als du fürs Beziehen zahlst.
Die beste Lösung für Besitzer und Besitzerinnen von PV-Anlagen ist deshalb: möglichst viel Strom selbst nutzen. Denn jeder selbst verbrauchte Kilowattstunde bedeutet: weniger Bezug zum teureren Netzpreis – und damit mehr Wirtschaftlichkeit für deine Anlage.

Tipp: Frag bei deinem lokalen EVU nach. Viele bieten mittlerweile faire Rückliefertarife, Eigenverbrauchsmodelle oder sogar dynamische Tarife für Produzenten und Produzentinnen an.

Zum Schluss: Die Schweizer Stromwelt steht vor grossen Veränderungen – insbesondere mit der bevorstehenden vollständigen Marktöffnung. Wer heute schon Bescheid weiss, kann morgen nicht nur Strom, sondern auch einen echten Beitrag zur Netzstabilität leisten – und vielleicht sogar vom Markt profitieren.

Hinterlasse den ersten Kommentar