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Strommarktliberalisierung in der Schweiz: Mehr Wahl, mehr Verantwortung – oder mehr Unsicherheit?

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Am 14. Mai 2025 hat der Bundesrat die Grundlagen für eine vollständige Öffnung des Schweizer Strommarkts vorgestellt. Dieser Schritt würde es künftig allen Stromkundinnen und -kunden ermöglichen, ihren Anbieter frei zu wählen – nicht nur Grossverbrauchern wie bisher. Die Umsetzung dieser Öffnung hängt jedoch von weiteren politischen Entscheidungen ab, welche bis spätestens 2030 Realität werden könnte. Die Richtung scheint klar: mehr Markt, mehr Wahlfreiheit, mehr Wettbewerb. Doch mit dieser Entwicklung stellen sich auch kritische Fragen – sowohl für Haushalte als auch für Fachleute aus der Energiebranche.

Was ist geplant – und was steht noch offen?

Aktuell können nur Stromkunden mit einem sehr hohen Jahresverbrauch (über 100 MWh) ihren Stromanbieter frei wählen. Der Bundesrat will dies nun ändern – und schlägt vor, den Strommarkt für alle zu öffnen, ähnlich wie es bei der Krankenkasse bereits der Fall ist. Diese Marktöffnung ist Teil der Bemühungen um ein neues Stromabkommen mit der EU. Die Gespräche mit betroffenen Gruppen laufen bis Ende 2025. Danach folgen die parlamentarische Debatte und – voraussichtlich – eine Volksabstimmung. Vor 2030 ist keine Umsetzung zu erwarten.

Begleitet werden soll die Öffnung durch:

  • ein Vergleichsportal für mehr Transparenz
  • eine Ombudsstelle für Konsumentenschutz
  • einheitliche Mindeststandards für Anbieter
  • Pflicht zu Tarifangeboten mit festem und schwankendem Preis.

Der Bundesrat stellt klar: Der Marktzugang ist keine Pflicht. Wer möchte, kann in der regulierten Grundversorgung bleiben.

 

Chancen und Risiken: Was bedeutet diese Öffnung für Endverbraucher:innen?

Die Marktöffnung bietet Potenzial – etwa für Innovation, günstigere Preise oder neue Geschäftsmodelle. Doch gleichzeitig drängen sich berechtigte Fragen auf:

  • Wird der Strommarkt zur zweiten Krankenkasse? Also ein Dschungel aus Tarifen, Kleingedrucktem und Vergleichsrechnern?
  • Wer schützt Haushalte vor unseriösen Lockangeboten oder Preissteigerungen in Zeiten von Stromknappheit?
  • Wie stellen wir sicher, dass nicht jene benachteiligt werden, die sich nicht aktiv mit der Marktlogik auseinandersetzen wollen – oder können?

Und: Führt Wahlfreiheit automatisch zu Gerechtigkeit? Die Antwort ist nicht einfach. Denn mit der Freiheit wächst auch die Verantwortung – für Information, Tarifwahl und Vertragsbindung. Was nach „mehr Selbstbestimmung“ klingt, kann schnell zu Überforderung werden.

 

Die eigentliche Wahl: Nicht Anbieter wechseln – sondern Strom selbst produzieren

Gerade in dieser Debatte wird ein Aspekt oft übersehen: Die stärkste Form der Unabhängigkeit ist nicht die Wahl des Anbieters – sondern die Produktion auf dem eigenen Dach.
Photovoltaikanlagen ermöglichen es heute schon, Strom lokal und günstig zu erzeugen. In Kombination mit Eigenverbrauchsoptimierung, Stromspeichern und intelligenter Steuerung ist es möglich, sich grösstenteils vom Marktgeschehen unabhängig zu machen. Dabei geht es nicht nur um Umweltbewusstsein, sondern um:

  • Kostenstabilität über Jahrzehnte hinweg
  • Planbarkeit statt Tarifrisiken
  • Souveränität, unabhängig vom nächsten Anbieterwechsel Während Politik, Regulatoren und Energiekonzerne noch über die Ausgestaltung des Markts diskutieren, haben Eigenversorger bereits gewählt.

Fazit: Marktöffnung als Impuls – nicht als Endlösung

Die geplante Liberalisierung ist ein Schritt, der längst fällig war. Sie kann Innovation fördern und neue Möglichkeiten eröffnen – wenn sie fair ausgestaltet wird. Aber sie ist kein Allheilmittel.

Gerade deshalb lohnt es sich jetzt, über Alternativen nachzudenken.

Und vielleicht ist die klügste Antwort auf den freien Markt: ein Stück Unabhängigkeit zurückholen – mit der Sonne als zuverlässigem Partner.

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